Als Heinrich Kühl 1924 sein Büro am Neustädter Markt in Dresden gründete, brachte er bereits wertvolle Erfahrungen mit. Nach einer Ausbildung zum Buchhändler und Stationen in Hamburg und London verbrachte er einige Jahre in der renommierten Galerie Ernst Arnold in Dresden, einem Vorreiter der Avantgarde. Heinrich Kühl (1886–1965) repräsentiert heute die erste von drei Generationen einer Familie, die die Galerie seit 1924 durch politisch und kulturell extrem bewegte Zeiten geführt hat.
Das Büro im Wandel der Zeit
In ihrem ersten Jahr zeigte die Galerie Werke von Chagall und Beckmann, Künstlern der Brücke-Bewegung und bald auch abstrakte Kunst von El Lissitzky. Es folgten klangvolle Namen wie Man Ray, Kurt Schwitters und Piet Mondrian, gefolgt von Hermann Glöckner und Hans Hartung. Zwischendurch präsentierte Kühl immer wieder alte asiatische Kunst, darunter chinesische Bronzen oder japanische Farbholzschnitte. Rudolf Nehmers Porträt von Kühl mit einem chinesischen Rollbild im Hintergrund deutet auf diese Vorliebe des Galeristen hin.
In den Zwanzigerjahren bereicherte Kühl beispielsweise das Sammlerpaar Ida und Friedrich Bienert mit Werken von Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz und Otto Dix. Doch mit der Machtergreifung Hitlers erlitt die Moderne einen Rückschlag. Das Galerieprogramm, das nun in die Kleine Brüdergasse umzog, verlor an Internationalität. Dennoch war es auch während der Nazizeit möglich, „entartete Kunst“ wie Werke von Dix, Karl Hofer oder Paul Klee in der Galerie zu erwerben. Heinrichs Sohn Johannes erinnerte sich später daran, dass es einen separaten kleinen Raum für „spezielle Kunden“ gab.
Im Februar 1945 zerstörten Bomben und Feuer alles, das Inventar mit Grafiken, Gemälden und Skulpturen, das Mobiliar und das Firmenarchiv. Ein Jahr später setzte Heinrich Kühl seinen Betrieb in der Zittauer Straße 12 fort, mit Künstlern wie Karl Otto Götz, E. W. Nay und Hermann Glöckner – und er hielt an seinem Programm fest, auch als die DDR dogmatischer wurde. Sein Sohn und Nachfolger zeigte nun auch Künstler wie Gerhard Altenbourg, Max Uhlig und Gerda Lepke. Der Publizist Hans-Peter Lühr, der die Galerie seit den Siebzigerjahren kennt, erinnert sich an „Sternstunden mit dem kultivierten alten Dresdner Bürgertum“. Für Johannes Kühl war es wohl auch ein „heimlicher Eiertanz mit der Macht“.
Bis Mitte Januar widmete das Lindenau-Museum in Altenburg dem Galeriebetrieb Kühl eine eigene Ausstellung – das Museum erwarb seit den Fünfzigerjahren mehr als 30 Werke, darunter von Ludwig von Hofmann und Carl Lohse. Und erst kürzlich präsentierte das Albertinum ein Forschungsprojekt zum privaten Kunsthandel nach 1945 in Dresden, das natürlich auch die vielfältigen künstlerischen Initiativen der Familie Kühl dokumentiert.
1994 übernahm Johannes‘ Tochter Sophia-Therese Schmidt die Leitung der Galerie. Auch sie musste neue Räume finden und zeigt jetzt vor allem Gegenwartskunst mit regionalem Schwerpunkt in der Nordstraße. Die Jubiläumsausstellung beginnt am 4. Mai und wird von einer Reihe von Veranstaltungen begleitet.
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