Es ist eine seltene Gelegenheit, dass ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt wieder auftaucht: Das Wiener Auktionshaus im Kinsky versteigert jetzt das „Bildnis Fräulein Lieser“ mit einem Schätzwert zwischen 30 und 50 Millionen Euro.
Das Gemälde von Gustav Klimt (1862-1918) aus dem Jahr 1917 stammt aus der späten Schaffensperiode des weltberühmten Jugendstil-Künstlers, wie das Auktionshaus am Donnerstag mitteilte.
Michael Kovacek, Geschäftsführer von Kinsky, setzte den Schätzwert auf 30 bis 50 Millionen Euro fest, wobei bei der für den 24. April geplanten Auktion auch höhere Summen möglich seien.
Das farbenprächtige Dreiviertelporträt war jahrzehntelang in österreichischem Privatbesitz verborgen und der Fachwelt nur durch eine Schwarz-Weiß-Fotografie bekannt. Das 140 mal 80 Zentimeter große Gemälde zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund, umgeben von einem reich mit Blumen verzierten Umhang.
Claudia Mörth-Gasser, Leiterin der Abteilung Klassische Moderne im Kinsky, betonte, dass die koloristische Palette exemplarisch für Klimts Spätwerk sei.
Das Gemälde zeigt ein Mitglied der Industriellenfamilie Lieser, die während der NS-Zeit wegen ihrer jüdischen Abstammung verfolgt wurde. Das genaue Schicksal des Gemäldes zwischen 1925 und den 1960er Jahren ist ungeklärt. Trotz intensiver Recherchen gibt es keine Hinweise auf einen „unrechtmäßigen Entzug“.
Der Auktionskatalog betont: „Es gibt daher keine Anhaltspunkte dafür, dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkrieges geraubt, gestohlen oder auf andere Weise unrechtmäßig entzogen wurde“.
Die heutigen Besitzer haben das Gemälde vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt. Seit Mitte der 1960er Jahre befand es sich im Salon einer Villa in der Nähe von Wien.
Die Entscheidung, das Porträt nicht in London oder New York versteigern zu lassen, sondern es dem kleineren Wiener Auktionshaus im Kinsky anzubieten, beruhe auf dessen langjähriger Erfahrung mit Klimts Werken und seiner Kompetenz im Umgang mit sogenannter Raubkunst, also Kunstwerken, die während der NS-Zeit beschlagnahmt und entzogen wurden, erklärte das Auktionshaus.
Zu Klimt:
Gustav Klimt, ein bedeutender österreichischer Maler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, hinterließ der Welt ein reiches Erbe an faszinierenden Werken, die für ihre einzigartige Stilistik und ihren Symbolismus bekannt sind. Geboren am 14. Juli 1862 in Baumgarten, einem Vorort von Wien, zeigte Klimt schon früh eine außergewöhnliche künstlerische Begabung und studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule.
Klimts Werk ist geprägt von einer Synthese aus Symbolismus, Jugendstil und dem aufkommenden Wiener Secessionismus. Seine Gemälde sind bekannt für ihre ornamental verzierten Figuren, goldene Akzente und symbolische Darstellungen von Liebe, Erotik und Tod. Einige seiner berühmtesten Werke, wie „Der Kuss“ und „Judith I“, zeigen deutlich seinen einzigartigen Stil und seine Vorliebe für allegorische Darstellungen.
Ein markantes Merkmal von Klimts Werk ist die Verwendung von Gold- und Silberfarben, die seine Bilder in ein fast mystisches Licht tauchen. Diese Technik wurde bekannt als sein „goldener Stil“ und ist besonders in seinen späteren Werken deutlich zu sehen. Klimts Faszination für das Byzantinische und den Orient spiegelt sich in dieser Verwendung von Gold wider, das nicht nur einen ästhetischen Zweck erfüllt, sondern auch tiefe symbolische Bedeutung trägt.
Neben seiner Arbeit als Maler war Klimt auch Mitbegründer der Wiener Secession, einer avantgardistischen Künstlergruppe, die sich gegen die traditionellen Kunstinstitutionen auflehnte und für die Freiheit der künstlerischen Ausdrucksformen eintrat. Seine rebellische Natur und sein Streben nach künstlerischer Freiheit prägten nicht nur sein Werk, sondern auch seine Rolle in der Kunstwelt seiner Zeit.
Gustav Klimt verstarb am 6. Februar 1918 in Wien, aber sein Erbe lebt in seinem Werk fort, das auch heute noch Bewunderung und Inspiration hervorruft. Seine einzigartige Fusion von Symbolismus und Ästhetik sowie seine revolutionäre Haltung gegenüber der Kunst haben ihn zu einem der bedeutendsten Künstler seiner Zeit gemacht, dessen Einfluss bis heute spürbar ist.
Lesen Sie auch: Verborgene Kunst abseits der Auktionshäuser