Piet Mondrian ist bekannt für seine geometrischen Raster-Bilder, bei denen es leicht durcheinanderkommen kann, wie sie eigentlich aufgehängt werden sollten. In Düsseldorf jedenfalls hängt ein Bild offenbar nicht so, wie es sein sollte – der Skandal nimmt seinen Lauf.
Strenge Linien, die sich waagerecht und senkrecht kreuzen, und die unverkennbaren Grundfarben Blau, Rot und Gelb: Ein Werk von Piet Mondrian ist für Kunstliebhaber leicht zu identifizieren. Doch hängen diese abstrakten Kompositionen immer richtig herum? Bei einem Hauptwerk des niederländischen Avantgarde-Malers sind jetzt Zweifel aufgetaucht. Zur Eröffnung der Ausstellung „Mondrian. Evolution“ anlässlich des 150. Geburtstags von Mondrian (1872–1944) enthüllte die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eine überraschende Enthüllung: Das berühmte Klebestreifenbild „New York City 1“ scheint seit Jahrzehnten falsch herum zu hängen.
Kuratorin Susanne Meyer-Büser präsentierte mehrere Anhaltspunkte für diese Annahme während der Pressekonferenz zur Jubiläumsausstellung. Die Ausstellung zeigt anhand von 90 Bildern die markante Entwicklung von Mondrian vom Landschaftsmaler zum Meister der Abstraktion. Das 1941 entstandene Bild „New York City 1“ markiert den Höhepunkt und das Ende der Ausstellung. Und nun hängt ausgerechnet dieses bekannte Bild, bestehend aus roten, gelben, blauen und schwarzen Klebestreifen, die sich waagerecht und senkrecht kreuzen, falsch herum?
Das Werk gehört seit 1980 zum Bestand der NRW-Kunstsammlung. Im Gegensatz zu einem fast identisch großen Ölgemälde, das zeitgleich im Pariser Centre Pompidou hängt, wird das Klebebild jedoch seit Mondrians Tod im Jahr 1944 um 180 Grad gedreht präsentiert, so Susanne Meyer-Büser.
Ein weiteres Indiz: Auf einem Foto, das kurz nach Mondrians Tod im Jahr 1944 in seinem Atelier aufgenommen wurde, ist das Klebebild in einer anderen Ausrichtung auf der Staffelei zu sehen: Die dichteren Streifen befinden sich am oberen Rand und verlaufen genau wie beim Ölbild in Paris. „Könnte es sein, dass diese auf dem Foto gezeigte Ausrichtung die eigentliche war, die Mondrian beabsichtigt hatte?“, fragte Meyer-Büser.
Auch der Verlauf der Klebestreifen unterstützt diese Annahme. Meyer-Büser glaubt, dass Mondrian von oben nach unten gearbeitet hat. Am oberen Rand des Bildes hatte er noch die Kontrolle über die Streifen und setzte sie präzise an. „Nach unten hin wird es lockerer.“ Dort sind die Streifen ungenau abgeschnitten, sodass immer ein halber Zentimeter fehlt. In der Düsseldorfer Hängung sind jedoch die ungenauen Kanten oben. Die Richtung der Klebestreifen hat letztlich auch die Restauratoren überzeugt, so die Kunsthistorikerin. Somit steht fest: „Das Gemälde ‚New York City 1‘ aus der Kunstsammlung steht auf dem Kopf.“
Das Problem ist, dass Mondrian das Bild nicht signiert hat. Möglicherweise diente es auch nur als Studienobjekt. Vielleicht ist der Hängungsfehler bereits 1945 passiert, als das Bild erstmals im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt wurde, spekulierte Meyer-Büser. „War es Zufall, war es ein Fehler?“ Vielleicht wurde es bereits beim Auspacken der Transportkisten umgedreht. Der Nachlassverwalter Harry Holtzman schrieb später groß „Mondrian“ auf den Holzrahmen. „Hat auch er nicht genau hingesehen?“
Der Skandal wird zur neuen Realität
Das Bild ist jedenfalls so in das Werkverzeichnis aufgenommen worden und somit kunsthistorisch akzeptiert, sagt Meyer-Büser. Die Kunstsammlung wird das Klebestreifenbild nun nicht mehr umdrehen. „Das werden wir nicht tun“, so Meyer-Büser. Schließlich hat es über 75 Jahre falsch herum gehangen und besteht aus empfindlichen Klebestreifen. „Wenn ich das Werk umdrehe, riskiere ich, es zu beschädigen.“ Die falsche Hängung gehört nun zur Geschichte des Bildes. „Und sie erzählt viel über das Hinsehen und das Akzeptieren von Autorität.“
„New York City 1“ bietet noch viel Raum für Spekulationen. Mondrian hat sich zeitlebens mit Spiegelungen beschäftigt, um seine eigene und die Wahrnehmung der Betrachter zu schärfen, sagt Meyer-Büser. „Vielleicht gibt es überhaupt keine richtige oder falsche Ausrichtung?“ Das Klebebild funktioniert letztlich wie ein Stadtplan: „New York City 1“ erstreckt sich in alle Richtungen – wie der „Boogie Woogie“, den Mondrian so liebte.
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