Diese Kunstwerke haben Kritik, Debatten und Aufschreie in der Gesellschaft ausgelöst. Die Kunst bietet ein weites Feld für Experimente, und ein künstlerischer Skandal/ Aufreger kann Teil des kreativen Prozesses sein. Entdecken Sie zehn Werke, die ihr Publikum in Aufruhr versetzten und die Intention des Künstlers in Frage stellten.
Aufreger und Kunst – eine Symbiose die häufiger erscheint, als man denkt
1.Der Tod des Marat von Jacques-Louis David, 1793
Am 13. Juli 1793 drang eine junge Frau namens Charlotte Corday in die Wohnung des Abgeordneten und Journalisten Jean Paul Marat ein, der aufgrund einer Hautkrankheit die meiste Zeit in einer Badewanne verbrachte. Corday betrachtete den radikalen Jakobiner Marat als eine der Ursachen für den anhaltenden Terror im revolutionären Frankreich und ermordete ihn mit einem Messer – eine Tat, für die sie selbst wenige Tage später unter der Guillotine ihr Leben verlor.
Die Ermordung Marats führte zu einer Art Kult um seine Person, den sein Freund, der Maler Jacques-Louis David, der ebenfalls Abgeordneter des Nationalkonvents war, vorantrieb, indem er Marat wie einen Märtyrer darstellte. Zudem fügte er dem Werk die persönliche Widmung „À Marat, David“ („Für Marat, David“) bei. „Der wahre Patriot muss eifrig alle Mittel ergreifen, um seine Mitbürger aufzuklären und ihnen ständig seine erhabenen Züge des Heldentums und seiner Tugenden vor Augen zu führen“, war eine der Ansichten, die David mit seinem ermordeten Freund teilte.
2. Olympia von Édouard Manet, 1863
Édouard Manet malte seine „Olympia“ im Jahr 1863. Zwei Jahre später wurde sie erstmals im Pariser Salon ausgestellt, wo sie für einigen Wirbel sorgte. Das Gemälde zeigt eine Prostituierte, die sich offensichtlich für ihren nächsten Kunden vorbereitet. Neben ihrer offenen Nacktheit blickt das lässig an einem Haufen Kissen gelehnte Modell, Victorine Meurent, den Betrachter provokant an.
Im gleichen Jahr sorgte auch Manets „Le déjeuner sur l’herbe“ für einen Skandal und wurde vom Salon abgelehnt. Dieses Werk zeigt eine ebenfalls nackte Frau, die direkt auf ihr Publikum schaut, sowie zwei bekleidete Herren.
3. L’Origine du monde von Gustave Courbet, 1866
In Gustave Courbets „L’Origine du monde“ von 1866 bleibt nicht viel der Phantasie überlassen – außer dem Gesicht der liegenden Dame, deren gespreizte Beine dem Betrachter einen mehr als intimen Blick auf ihre Körpermitte gewähren.
Sowohl Courbet als auch Manet veränderten im 19. Jahrhundert das Verhältnis zur Aktmalerei. „L’Origine du monde“, das zu seiner Entstehungszeit äußerst kontrovers diskutiert wurde, war der Auslöser für eine große künstlerische Freiheit.
4. Sitzende Frau mit violetten Strümpfen von Egon Schiele, 1917
Eine wichtige Rolle in der Verbindung von Kunst und Erotik spielt das Werk Egon Schieles. Seine nackten Modelle nehmen oft explizite Posen ein, wie etwa in „Sitzende Frau in violetten Strümpfen“ von 1917, wo sich das Modell vor dem Betrachter selbst befriedigt.
Schieles erotische Zeichnungen, verbunden mit dem Vorwurf der Entführung und des Missbrauchs einer Minderjährigen, führten 1912 sogar zu einer kurzen Verhaftung.
5. Suprematistische Komposition: Weiß auf Weiß von Kasimir Malewitsch, 1918
Obwohl ohne sexuelle, politische oder religiöse Konnotation, löste die Suprematistische Komposition: Weiß auf Weiß bei ihrer ersten öffentlichen Ausstellung in Russland 1918 einen kleinen Skandal aus. Während Kasimir Malewitsch mit diesem Werk einen unendlich reinen Raum zu erkunden suchte, wurde es von der Kritik als „Beteiligung am Tod der Kunst“ weitgehend abgelehnt. So spottete ein rivalisierender Künstler, Malewitschs Arbeit sei das einzig Gute an der ganzen Ausstellung, da es sich um eine „absolut reine, weiße Leinwand mit einer sehr guten Grundierung“ handele, mit der man noch etwas anfangen könne.
Welche Intention Malewitsch, der Vater des Suprematismus, bei seiner Arbeit verfolgte, hatte er bereits drei Jahre zuvor anlässlich einer anderen Ausstellung seiner umstrittenen Werke zum Ausdruck gebracht: „Erst wenn die Gewohnheit und das Bewusstsein verschwunden sind, in Bildern die Darstellung von kleinen Naturecken, Madonnen oder Venusdarstellungen zu sehen, werden wir das malerische Werk erkennen.
6. Man in Polyester Suit von Robert Mapplethorpe, 1980
„Man in Polyester Suit“ ist eine Fotografie von Robert Mapplethorpe aus dem Jahr 1980 und Teil der Serie „X Portfolio“. Das Foto zeigt Mapplethorpes Liebhaber Milton Moore in einem dreiteiligen Anzug, der seinen Penis nicht verhüllt. Diese Arbeit festigte den provokativen Ruf des Künstlers. Im Jahr 2015 wurde Mapplethorpes Fotografie bei Sotheby’s in New York für fast eine halbe Million Dollar verkauft.
Die erotischen Arbeiten aus der Mitte von Mapplethorpes Karriere lösten eine Kontroverse über die öffentliche Kunstförderung in den USA aus, die auch als „Kulturkampf“ bekannt ist.
7. La Nona Ora von Maurizio Cattelan, 1999
Nona Ora von Maurizio Cattelan ist eine hyperrealistische Darstellung von Papst Johannes Paul II., der von einem Meteoriten niedergestreckt wurde. Seine Augen sind in einem Zustand des Leidens und der Akzeptanz dargestellt.
Das Werk bezieht sich auf die neunte Stunde, einen präzisen Moment nach dem Markusevangelium, als der gekreuzigte Jesus den berühmten Satz aussprach: „Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?“ – ein Moment tiefster menschlicher Zweifel. Dieser Moment verweist auf den Humanismus Johannes Pauls II., der die Sünde der Welt zu ertragen hatte.
8. Tree von Paul McCarthy, 2014
Tree ist eine fast 25 Meter hohe aufblasbare Skulptur des amerikanischen Künstlers Paul McCarthy. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren empört, weil sie das Werk für die Darstellung eines riesigen Sexspielzeugs hielten. Im Jahr 2014 wurde Tree während der FIAC auf dem Place Vendôme in Paris aufgestellt. Unbekannte Vandalen ließen das Werk jedoch schnell wieder verschwinden. Aufgrund der negativen Reaktionen verzichtete der Künstler darauf, den Baum wieder aufzublasen.
9. Dirty Corner von Anish Kapoor, 2011-15
„Dirty Corner“ ist ein Stahlkoffer des Künstlers Anish Kapoor, der offensichtlich auch eine sexuelle Konnotation hat. Während der Ausstellung im Schlosspark von Versailles im Jahr 2015 wurde das Werk viermal zerstört. Die Arbeit wurde in der Presse oft als „Vagina der Königin“ bezeichnet, eine Anrede, die Anish Kapoor selbst nie benutzte. Dennoch beschrieb der Künstler die Arbeit als „sehr sexuell“.
10. Domestikator vom Joep van Lieshout, 2017
Im Rahmen von „Beyond the Walls“ der FIAC wurde der „Domestikator“ des niederländischen Künstlers Joep van Lieshout vom Louvre abgelehnt und vom Beaubourg angenommen.
Die 12 Meter hohe Skulptur in Form eines Windhundes wurde auf dem Vorplatz des Museums aufgestellt. Dem Künstler zufolge ist sie „eine Allegorie der Vergewaltigung der Natur durch den Menschen“. Die SPA (Gesellschaft zum Schutz der Tiere) prangerte „eine perverse Skulptur an, die einen zoophilen Akt darstellt, zu dem sich der Autor offen bekennt“.
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