Wie der Künstler seine Werke gestaltet, erzählt auch jedes Kunstwerk seine eigene faszinierende Geschichte. Von seiner Entstehung über Ausstellungen bis hin zu Verkäufen, Tauschen und Vererbungen – im Laufe der Zeit wechselt es immer wieder seinen Standort und Besitzer. Die Provenienz eines Kunstwerkes beschreibt genau diese Besitz- und Eigentumsgeschichte, von seinem Ursprung bis zur Gegenwart. Sie dokumentiert nicht nur die Auktionshäuser, Händler oder Galerien, die das Kunstwerk einst verkauft haben, sondern auch die privaten oder institutionellen Sammlungen, in denen es sich befand. Diese Informationen sind von unschätzbarem Wert im Kunstmarkt.
Aufgabe der Provenienz
Wie bereits erwähnt, erzählt jedes Kunstwerk seine eigene individuelle Geschichte. Diese handelt nicht immer von glanzvollen Sammlungen oder hochkarätigen Ausstellungen. Manchmal gehen Kunstwerke verloren, werden gestohlen oder ihr Ursprung gerät einfach in Vergessenheit. Jahre später tauchen sie dann wieder auf und stellen Experten vor zahlreiche Fragen: Woher stammt das Werk ursprünglich? Wer waren die früheren Besitzer? Welche Umstände begleiteten die letzten Verkäufe? Und bestehen möglicherweise Ansprüche Dritter auf das Bild?
Im Rahmen einer Provenienzrecherche werden genau diese Fragen wissenschaftlich erforscht. Ziel ist es, die Herkunft und die historischen Besitzverhältnisse eines Kunstwerks so lückenlos wie möglich zu dokumentieren und mehr über die Umstände zu erfahren. Besonders bei Kunstwerken, die vor 1945 entstanden sind, spielt die Provenienz eine bedeutende Rolle. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden hunderttausende Bilder geraubt, zwangsweise verkauft oder beschlagnahmt, was die Notwendigkeit einer genauen Provenienzforschung umso dringlicher macht.
Provenienz als Richter
Im März 2021 wurde in Paris beschlossen, das Gemälde „Rosen unter Bäumen„, das 1905 von Gustav Klimt geschaffen wurde, an seine rechtmäßigen Erben zurückzugeben. Das Bild gehörte ursprünglich dem österreichischen Kunstsammler Victor Zuckerkandl. Nach seinem Tod im Jahr 1927 erbte seine Nichte Nora Stiasny das Gemälde. Unter dem Druck der Nationalsozialisten wurde sie jedoch gezwungen, das Kunstwerk zu verkaufen. Sie selbst starb 1942 im Vernichtungslager Belzec. Erst im Jahr 1980 tauchte das Gemälde wieder auf, als es von der Zürcher Galerie Peter Nathan an das Pariser Musée d’Orsay verkauft wurde, wo es seitdem ausgestellt war und nun restituiert werden soll.
Die Aufarbeitung der NS-Raubkunst wird voraussichtlich noch viele Jahre dauern. Nach aktuellen Schätzungen befinden sich weltweit noch bis zu 10.000 Kunstwerke in öffentlichen und privaten Sammlungen, die noch nicht an ihre rechtmäßigen Eigentümer und Erben zurückgegeben wurden. Doch wie kommt es zu diesen Restitutionen?
Aufgrund der Verjährungsfrist von maximal 30 Jahren haben Klagen auf Herausgabe von Raubkunst in Deutschland meist nur wenig Aussicht auf Erfolg. Dennoch entscheiden sich öffentliche Institutionen zumeist für eine Restitution oder das Finden einer „gerechten und fairen Lösung“ in Zusammenarbeit mit den rechtmäßigen Eigentümern. Die Grundlage dafür bildet in vielen Fällen die Washingtoner Erklärung.
Die Washingtoner Erklärung, eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft, wurde im Jahr 1998 von 44 unterzeichnenden Staaten verabschiedet. Ihr Ziel ist es, Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus zu identifizieren, die rechtmäßigen Eigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ für die Rückgabe zu finden. Diese Erklärung stellt einen wichtigen Schritt im Umgang mit der NS-Raubkunst dar und dient als Leitlinie für die Restitution von gestohlenen Kunstwerken, um historisches Unrecht anzuerkennen und die Erinnerung an die Opfer des Holocausts zu wahren.
Als Privatsammler muss man sich in der Regel vor deutschen Gerichten keine Verurteilung auf Herausgabe fürchten. Dennoch gestaltet sich der Verkauf entsprechender Kunstwerke in der Praxis oft schwierig. Insbesondere beim Wiederankauf hochwertiger Kunstobjekte führt kaum ein Weg an Galerien oder Auktionshäusern vorbei. Diese können unter Umständen zur Herausgabe von Raubkunst verurteilt werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Fall aus dem Jahr 2018, bei dem ein New Yorker Gericht entschied, zwei Werke von Egon Schiele an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben. Diese Werke wurden drei Jahre zuvor von einem Londoner Galeristen in New York ausgestellt und aufgrund eines richterlichen Beschlusses beschlagnahmt.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 2016 in Deutschland. Bei einem Münchner Auktionshaus wurde ein Gemälde der Florentiner Schule aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entdeckt und von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Das Gemälde war 1975 aus einer italienischen Privatsammlung gestohlen worden und tauchte 40 Jahre später wieder in München auf. Die italienischen Ermittler informierten die Münchner Staatsanwaltschaft, die daraufhin reagierte und das Bildnis der Maria Magdalena konfiszierte. Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde das Werk im Mai 2021 an die italienischen Behörden übergeben.
Um herauszufinden, ob ein Kunstwerk gestohlen wurde oder NS-Raubkunst ist, gibt es verschiedene Datenbanken, darunter die Lost Art-Datenbank in Deutschland und das Art Loss Register in Großbritannien. Diese Datenbanken helfen bei der Identifizierung gestohlener Kunstwerke und tragen dazu bei, dass gestohlene Kunstwerke ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden können.
Lost Art-Datenbank
Die Lost Art-Datenbank wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste betrieben. In dieser Datenbank werden Kulturgüter erfasst, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere ihren jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden. Die Grundlage für die Lost Art-Datenbank bilden die im Jahr 1998 verabschiedeten Washingtoner Prinzipien, zu deren Umsetzung sich Deutschland bekannt hat.
Art Loss Register
Das Art Loss Register ist der führende Anbieter von Due-Diligence-Prüfungen für den Kunstmarkt und verfügt über die weltweit größte Datenbank für gestohlene Kunst, Antiquitäten und Sammlerstücke mit etwa 700.000 Objekten. Bevor viele Kunsthändler und Auktionshäuser die angebotenen Kunstwerke akzeptieren, führen sie eine vorherige Überprüfung der Unbedenklichkeit durch. Dazu stellen sie eine kostenpflichtige Anfrage an das Art Loss Register, das Auskunft darüber gibt, ob möglicherweise Ansprüche Dritter auf das Werk bestehen. Diese Prüfung trägt dazu bei, den Handel mit gestohlenen Kunstwerken zu unterbinden und die Integrität des Kunstmarktes zu wahren.
Mit der Eintragung in einer dieser Datenbanken gilt das betreffende Kunstwerk praktisch als unverkäuflich und verliert deutlich an Wert. Potenzielle Käufer und Händler sind oft abgeschreckt, da der Eintrag in einer Datenbank für gestohlene Kunst die Legitimität des Kunstwerks in Frage stellt und rechtliche Probleme nach sich ziehen kann. Dadurch wird der Verkauf des Kunstwerks erheblich erschwert, da seriöse Käufer und Institutionen normalerweise keine Risiken eingehen möchten, die mit dem Erwerb gestohlener oder unrechtmäßig erworbener Kunstwerke verbunden sind.
Provenienz = mehr Geld?
Der Wert eines Kunstobjekts ist untrennbar mit seiner Echtheit und Authentizität verbunden. Die Zuschreibung zu einem bestimmten Künstler oder einer Künstlerin kann teilweise über Millionenwerte entscheiden. Insbesondere bei historischen Objekten ist die Echtheit jedoch nicht immer einfach feststellbar, und es tauchen regelmäßig Fälschungen auf dem Kunstmarkt auf. Diese Fälschungen können den Markt und die Sammler beträchtlich täuschen und den Wert des Originalwerks erheblich mindern. Daher ist es für Sammler und Händler von entscheidender Bedeutung, die Authentizität eines Kunstwerks zu überprüfen, bevor sie beträchtliche Summen dafür ausgeben. Dies kann durch Expertenuntersuchungen, Provenienzforschung und andere forensische Methoden erfolgen, um sicherzustellen, dass das Kunstwerk tatsächlich das ist, was es vorgibt zu sein.
Bedeutende Kunstwerke hinterlassen üblicherweise ihre Spuren. Wenn weder ein Eintrag im Werkverzeichnis noch ein anerkanntes Echtheitszertifikat vom Kunstmarkt vorliegt, kann unter Umständen die Provenienz eines Werkes herangezogen werden, um zusätzliche Gewissheit über dessen Echtheit zu erlangen. Diese Tatsache lockt jedoch auch immer wieder Betrüger an.
Ein besonders spektakulärer Fall ereignete sich vor wenigen Jahren in Deutschland, als der deutsche Künstler Wolfgang Beltracchi und seine Frau nicht nur Gemälde fälschten, sondern auch die Hintergrundgeschichten zu den Werken erdachten. Sie verkleideten sich, inszenierten historische Fotos, fälschten alte Briefe und erschufen eine angebliche Gemäldesammlung des Kölner Unternehmers Werner Jägers, die aus ihren gefälschten Werken bestand. Über Jahre hinweg verkauften sie ihre Bilder über Auktionshäuser und Galerien und verdienten so mehrere Millionen Euro. Der Schwindel flog auf, als der Käufer eines millionenteuren Gemäldes von Heinrich Campendonk das Werk chemisch untersuchen ließ. Dabei wurde festgestellt, dass das Gemälde eine Farbe enthielt, die zur vermeintlichen Entstehungszeit des Werkes noch nicht existierte.
Allein über die Provenienz bzw. die Dokumentation früherer Eigentumsverhältnisse und -wechsel lässt sich die Echtheit eines Kunstwerkes nur selten feststellen. Dennoch können entsprechende Besitznachweise dabei helfen, mögliche Zweifel zu beseitigen und weitere Hinweise auf die Authentizität eines Kunstwerkes zu liefern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sammler und Händler bei der Prüfung der Echtheit eines Kunstwerks äußerst gründlich vorgehen und alle verfügbaren Informationen sorgfältig prüfen, um Betrug zu vermeiden.
Provenienz als Wertsteigerer
Neben der Prüfung auf Unbedenklichkeit hinsichtlich historischer Eigentumsansprüche und zur Echtheitsbestimmung kann die Provenienz auch den Wert eines Kunstwerkes maßgeblich beeinflussen. Kunstwerke, die aus namhaften Sammlungen stammen, sind für viele Sammlerinnen und Sammler von besonderem Interesse. Der Nachweis eines bekannten Vorbesitzers kann sich daher positiv auf den Wert von Kunst auswirken und diesen zusätzlich erhöhen.
Im 19. Jahrhundert sammelte der amerikanische Geldadel mit Medien, Stahl, Eisenbahnen und Öl einen schier märchenhaften Reichtum an. Persönlichkeiten wie Henry Clay Frick, William Randolph Hearst, J.P. Morgan oder John D. Rockefeller waren jedoch nicht nur erfolgreiche Unternehmer, sondern auch leidenschaftliche Kunstliebhaber, insbesondere von Gemälden Alter Meister. Sie waren bereit, Rekordsummen für Werke zu zahlen, die nicht nur von herausragender Qualität waren, sondern auch adligen Vorbesitzern gehört hatten. So verbanden sie ihre eigene Biographie mit jener von bekannten Königen, Dukes oder Marquis.
Auch heute spielt die Provenienz im Kunstmarkt eine entscheidende Rolle. Vor Kurzem wurde die Kunstsammlung der Familie Rockefeller in New York versteigert und erzielte einen Rekordpreis von mehr als 835 Millionen US-Dollar. Dieser übertraf die Erwartungen bei Weitem. Experten erklären sich diese enorme Steigerung der Ergebnisse vor allem mit der hohen Bekanntheit und dem besonderen Reiz, den der Name Rockefeller auf viele Sammler ausübt. Die Provenienz und die damit verbundene prestigeträchtige Geschichte der Sammlung trugen zweifellos zur hohen Wertschätzung und den erzielten Verkaufsergebnissen bei.
Proveninez herausfinden
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um die historischen Besitzverhältnisse eines Kunstwerkes zu ermitteln. Neben Quellen wie Händlerverzeichnissen, Sammlungsinventaren, Militärberichten, Gerichtsverfahren, Zeitungsartikeln und Museumskatalogen können auch historische Verkaufsbelege, Fotografien oder Briefe nützlich sein, um mehr über die Provenienz eines Werkes zu erfahren. Diese verschiedenen Quellen bieten Einblicke in die Vergangenheit des Kunstwerks und helfen dabei, die Geschichte seiner Besitzverhältnisse zu rekonstruieren.
Allerdings ist Vorsicht geboten, da es auch vorkommen kann, dass historische Unterlagen gefälscht werden. Daher ist es wichtig, die Provenienzdokumentation genau zu überprüfen und gegebenenfalls weitere Recherchen anzustellen, um sicherzustellen, dass die Informationen zuverlässig sind. Die genaue Überprüfung der Provenienz ist entscheidend, um die Authentizität und den Wert eines Kunstwerkes richtig einschätzen zu können.
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