Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) ist vielen als der gefeierte Autor des Romans „Das Boot“ bekannt, der später erfolgreich verfilmt wurde. Doch seine Vergangenheit als Kunstsammler wirft einen Schatten auf sein Erbe. Obwohl er kein Mitglied der NSDAP war, diente er dem Hitler-Regime als Propagandaexperte und begeisterter Kriegsberichterstatter. In seinen eigenen Schriften beschönigte er diese Zeit jedoch und wandelte sich nach 1945 zum Pazifisten. Neben seiner Schriftstellerei verdiente er sich auch Anerkennung als Künstler, Verleger und Kunstsammler. Sein Nachkriegs-Lebenswerk gipfelte im Buchheim Museum der Phantasie in Bernried am Starnberger See, das seine Kunst- und Kuriositätensammlung beherbergt.
Kritische Provenienzforschung im Buchheim Museum
Provenienzforscher sind alarmiert, wenn eine undurchsichtige Biographie aus der NS-Zeit auf eine Leidenschaft für expressionistische Kunst trifft. Das Buchheim Museum ist stolz darauf, als erste private Kulturinstitution in Deutschland die Washingtoner Erklärung zu unterzeichnen. Diese Verpflichtung bedeutet, die Bestände des Museums nach NS-Raubkunst zu durchsuchen und, falls nötig, faire und gerechte Lösungen mit den rechtmäßigen Erben der ursprünglichen Eigentümer zu finden.
Seit 2017 überprüft die Provenienzforscherin Johanne Lisewski die Bestände des Museums. Sie veröffentlicht die Ergebnisse ihrer Forschungen sowie digitalisiertes Quellenmaterial in einer Datenbank. Die Ausgangslage ist jedoch schwierig: Es gibt weder Inventarlisten noch Zugangsbücher, stattdessen Buchheims Bibliothek mit 60 laufenden Metern Auktionskatalogen und 130 laufenden Metern ungeordneter Unterlagen. Provenienzforschung gleicht hier, wie überall, einer Schnitzeljagd, bei der Stempel, Etiketten und halb ausradierte Beschriftungen verfolgt werden müssen.
Buchheim als Sammler und der Kunstmarkt
Buchheims Leidenschaft galt vor allem den „Brücke“-Künstlern. Allein an unikalen Papierarbeiten der Gruppe besaß er rund 200 Stück. Erste Ergebnisse aus deren laufender Überprüfung präsentiert nun eine Studio-Ausstellung, die Buchheim als Akteur auf dem Kunstmarkt vorstellt. Vermutlich begann er nach 1945 und verstärkt in den 1950er Jahren zu sammeln. 1950 stieg er kurzzeitig selbst in den Kunsthandel ein als Mitbegründer des Frankfurter Kunsthauses. Diese einzige Versteigerung war nur mäßig erfolgreich und beinhaltete mit Karl Schmidt-Rottluffs Aquarell „Vareler Leuchtturm“ ein Werk, das Fragen aufwirft: War Buchheim selbst der Einlieferer, oder erwarb er es nach dem im Auktionsbuch vermerkten Rückgang?
Kurz darauf versuchten sich Buchheim und seine damalige Frau Geneviève Militon als Galeristen und zeigten Werke französischer Künstler wie Georges Braque und Fernand Léger sowie deutscher Vorkriegsavantgardisten. Die Galerie war jedoch schnell wieder geschlossen. Buchheim wurde Verleger und kaufte als Vorlagen für seine Postkarten, Kalender und selbstverfassten Kunstbücher vor allem Werke auf Papier, weil dies günstiger war, als bei Museen um Reproduktionsrechte anzufragen.
Lücken in der Provenienzgeschichte
Viele Arbeiten in Buchheims Sammlung haben Lücken in ihrer Provenienzhistorie, insbesondere im Zeitraum von 1933 bis 1945. „Vorrangig weiter erforscht“ wird Erich Heckels Aquarell „Zwei Mädchen“. 1935 war es in einer Hannoveraner Privatsammlung nachweisbar, danach verliert sich die Spur bis 1950, als es ein Stuttgarter Sammler von dem Münchner Händler Hans Hellmut Klihm erwarb. Klihm war für den „Sonderauftrag Linz“ tätig, der Kunstwerke für das geplante „Führermuseum“ beschaffte. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug der „Zwei Mädchen“ kann daher nicht ausgeschlossen werden.
Entwarnung gibt es hingegen für Erich Heckels Blatt „Liegendes Mädchen“. Der Stempel eines grünen Löwen verweist auf den Erfurter Sammler Alfred Hess. Dessen Witwe Thekla und der Sohn waren als Juden verfolgt. Ein Teil der Sammlung wurde von den Nationalsozialisten entzogen, ein anderer konnte ins Ausland gerettet werden. Aus welchem Teil das „Liegende Mädchen“ stammt, wurde durch den Nachweis im Archiv des Stuttgarter Kunstkabinetts Ketterer geklärt, dass Thekla Hess das Blatt 1956 eingeliefert hatte.
Viele Auktionshäuser helfen bei der Provenienzforschung mit Auskünften, darunter die Münchner Versteigerer Karl & Faber, Neumeister und Ketterer, bei denen Buchheim Kunde war. Doch selbst kleine Hindernisse, wie unleserliche Einliefererkürzel, können die Forschung erheblich erschweren. Das Museum zeigt sein Engagement für Aufklärung mit dem wiederkehrenden Aufruf: „Wir freuen uns über werkbezogene Hinweise aus der Öffentlichkeit“.
Fazit
Lothar-Günther Buchheim bleibt eine zwiespältige Figur: ein talentierter Künstler und Autor, dessen Rolle im NS-Regime und sein Umgang mit NS-Raubkunst kritisch hinterfragt werden müssen. Das Buchheim Museum der Phantasie stellt sich dieser Aufgabe und bemüht sich, Licht in die dunklen Kapitel seiner Sammlungsgeschichte zu bringen.
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