In den letzten Jahren lief das Geschäft im Kunstmarkt wie geschmiert, doch die aktuelle Weltlage und zunehmende Cyberangriffe setzen Auktionshäuser wie Christie’s unter Druck. Ein Insider bemerkte zynisch, man werde „den Kunstmarkt nackt sehen“. Besonders betroffen ist der feinsensorische Kunstmarkt, auf den diverse Entwicklungen Einfluss nehmen. Beispielsweise waren einige Putin-nahe Kunden einst wichtige Stammkunden. Heute sind ihre Auslandskonten eingefroren, und Sanktionen hindern die Kunsthäuser daran, ihr Geld anzunehmen. Auch der Handelskrieg zwischen den USA und China trägt nicht zur Verbesserung der Lage bei.
Vor einigen Wochen fand in New York die Frühjahrsauktionen statt – ein Anlass, über die aktuelle Stimmung und die Geschäftsbasis des Kunstmarktes nachzudenken. Die großen Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s hofften, jeweils mehrere Hundert Millionen Dollar Umsatz zu erzielen. Angesichts der schwierigen Umstände ist die Hoffnung groß.
Ein weiteres Problem tauchte vor wenigen Tagen auf, als Hacker die Website von Christie’s attackierten und die Seite weitgehend offline nahmen. Dies könnte das Vertrauen der Bieter erschüttern, da viele sensible Daten digital übermittelt werden. Wenn das zweitgrößte Auktionshaus der Welt so angreifbar ist, könnte das Vertrauen in die Sicherheitsvorkehrungen der gesamten Branche sinken. Dennoch betonte der oberste Christie’s-Manager am Montag, dass die traditionellen Mai-Auktionen im New Yorker Rockefeller Center wie geplant stattfinden würden, lediglich eine Genfer Uhrenversteigerung wird um einen Tag verschoben. Trotz dieser Zusicherung bleibt der Vorfall geschäftsschädigend.
Zusätzlich sorgte ein Interview des deutschen Kunstmarktexperten und Yale-Dozenten Magnus Resch mit dem US-Sender CNN für Unruhe. Resch, der kürzlich ein Buch über das Sammeln von Kunst veröffentlicht hat, wurde gefragt, ob Kunst eine gute Investition sei. Seine Antwort war niederschmetternd: Bei 99 Prozent der Kunstwerke sollten Käufer nicht mit einer Wertsteigerung rechnen, sagte er. Stattdessen empfahl er, Kunst einfach aus Freude zu erwerben und sich von der „Investment-Idee“ zu befreien. Diese Einschätzung dürfte den Auktionshäusern nicht gefallen, da sie stark von Käufern leben, die Kunst als Anlageobjekt betrachten.
Auktionshäuser im Zwang
Trotz dieser Herausforderungen fanden die Frühjahrsauktionen statt. Besonders im Fokus war das Werk des Graffitikünstlers Jean-Michel Basquiat. Der junge Warhol-Kumpel verstarb 1988 im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis. Werke von Basquiat werden sowohl bei Sotheby’s und Christie’s als auch beim kleineren Konkurrenten Philipps angeboten. Ein besonders herausragendes Werk bei Christie’s trägt den Titel „Die italienische Version von Popeye hat kein Schweinefleisch auf dem Speiseplan“.
Neben Basquiat waren auch Werke von alten Klassikern wie Monet, Picasso, Magritte, Giacometti, Warhol und Gerhard Richter vertreten. Weitere Künstler wie Richard Diebenkorn und Brice Marden, die dem großen Publikum weniger bekannt sind, sowie Lucia Fontana, der für seine oft zerschnittenen Leinwände bekannt ist, könnten ebenfalls hohe Gebote erzielen. In dieser männlich dominierten Kunstwelt fällt Joan Mitchell besonders auf. Ihre expressiven Abstraktionen werden mit oberen Schätzwerten von bis zu 20 Millionen Dollar ausgepreist.
Die Schätzungen der Werke sind eine Wissenschaft für sich, da sie das Kaufinteresse anregen sollen, ohne den Bogen zu überspannen. Doch die zentrale Frage bleibt: Wie kauffreudig ist die Sammlerschaft in der aktuellen Situation?
Auf die Nachfrage des SPIEGELs äußerte sich Fachmann Resch, Autor von „Kunst smart kaufen“, skeptisch. Das Jahr begann nicht gut, und die Frühjahrsauktionen in New York würden voraussichtlich nicht die Erfolge der letzten beiden Jahre erreichen. Resch prognostiziert, dass man „den Kunstmarkt nackt sehen“ werde, was bedeutet, dass die Ergebnisse der Auktionen einen klaren Einblick in den Zustand der gesamten Branche geben werden. In New York, dem Zentrum des Kunstmarktes, steigt die Nervosität.
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