Caravaggio und sein Umgang mit Licht und Schatten – über die dramatische Hell-Dunkel-Wirkung seiner Bilder ist schon viel geforscht worden, und doch haftet seiner Kunst immer noch etwas Rätselhaftes an. Tom Ripley, skrupelloser Gauner und Meister der Verwandlung, ist von dem italienischen Maler so fasziniert, dass er immer mehr zu seinem Ebenbild wird und dafür buchstäblich über Leichen geht. Patricia Highsmiths Kriminalroman „Der talentierte Mr. Ripley“ ist nun die Vorlage für die neue Miniserie des Streaminganbieters Netflix. Nach den berühmten Verfilmungen mit Alain Delon und Matt Damon in den Hauptrollen tritt Andrew Scott in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger und spinnt im Italien der 1960er Jahre ein Netz aus Lügen und Betrug.
Von der Frau, die eine täuschend echt aussehende Mahnung für ihren letzten Chiropraktikerbesuch erhält, bis zum älteren Herrn, der am Telefon von seinen Zahlungsrückständen erfährt, lässt sich jeder noch so Misstrauische von Ripleys sanfter Stimme überzeugen, lieber gleich zum Inkassobüro zu gehen. Als ihm schließlich die Mafia höchstpersönlich einen lukrativen Deal vorschlägt, gerät der penible Fälscher endgültig auf die schiefe Bahn.
Vor einer traumhaften Kulisse zieht Tom von einem teuren Interieur zum nächsten, genießt den neu gewonnenen Luxus und knüpft Kontakte in die Welt der Kunst. Immer öfter zieht es ihn in die Kirche. Dort verliert er sich in Caravaggios Spiel von Licht und Schatten.
Für Tom, der selbst zum Mörder geworden ist, nehmen diese regelmäßigen Besuche im Gotteshaus fast schon etwas Andächtiges an. Besonders angetan hat es ihm das Gemälde „Misericordia“, die sieben Werke der Barmherzigkeit. Caravaggio malte es im Alter von 36 Jahren, ein Jahr nachdem er in Rom einen Mann ermordet hatte und anschließend nach Malta und Palermo geflohen war, bis er in Neapel gefasst und zu Tode geprügelt wurde. Kurz vor seinem Tod schuf er eines seiner berühmtesten Werke: David mit dem Haupt des Goliath, für das Caravaggio selbst als Modell für die beiden Gesichter diente. Im Verlauf der Serie wird dieses Motiv noch eine geniale symbolische Rolle spielen.
In Szenen, die einem Gemälde von Hopper entstammen könnten, zeigt „Ripley“ die schönsten, dunkelsten und geheimnisvollsten Ecken des Mezzogiorno und die raffinierten Manöver eines Romanklassikers, den die süditalienische Presse auch als „Playboy auf der Flucht“ bezeichnet.
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